Text: Lukas 3,1-14
Die Predigt wurde von Juliane Schneider, Mitarbeiterin im Konfirmandenunterricht, mit vorbereitet und mit gehalten
Liebe Gemeinde!
Juliane: Nach dieser langen Aufzählung, in welche Zeit dieses Geschehen einzuordnen ist, kommt das Wichtigste: Das Wort geschah zu Johannes. Gott hat zu Johannes gesprochen und ihm einen Auftrag gegeben. Dieser Satz ist entscheidend. Johannes hat nicht aus sich heraus die Idee, durch die Gegend zu ziehen und zur Buße aufzurufen. Er ist auch kein Spinner, der sich irgendetwas Verrücktes ausgedacht hat. Nein, Gott hat Johannes einen Auftrag gegeben. Sein Auftrag war es, ein Wegbereiter von Jesus zu sein und zur Buße, das heißt zum Bekennen der Sünden aufzurufen. Johannes ist bereit, sein bisheriges Leben für diesen Auftrag zu ändern. Bisher hat er abgeschieden in der Wüste gelebt, war vielleicht bei einigen Leuten als Eigenbrötler bekannt, aber hatte wahrscheinlich nicht viel mit Menschen zu tun. Dann spricht Gott zu ihm und gibt ihm eine Aufgabe. Auf einmal hat er einen Sinn. Und er ändert seine Lebensweise vom abgeschiedenen Eigenbrötler zu einem, der den Menschen etwas zu sagen hat. So heftig ist das, wenn Gott in ein Leben spricht!!
Johannes hat diesen Auftrag bekommen, bevor die Menschen Jesus kannten. Johannes war der Wegbereiter für Jesus. Er sollte die Menschen darauf vorbereiten, dass Jesus bald kommen würde und ihren Glauben und ihre Leben auf den Kopf stellen würde.
Heute ist der 3. Advent. Wir befinden uns genau in einer solchen Vorbereitungszeit für Jesus. An Weihnachten erinnern wir uns daran, dass Jesus als Gottes Sohn den Himmel verlassen hat und als schwaches Baby auf die Erde gekommen ist. Wir befinden uns aber auch noch in einer anderen Zeit. Jesus hat versprochen, dass er wieder auf die Erde kommen wird. Dann jedoch nicht als schwaches Baby, sondern als mächtiger Herrscher, als König.
Wir befinden uns also in einer Zeit, die darauf wartet, dass Jesus wieder kommt. Wir sind gerade in einer sehr ähnlichen Situation wie Johannes damals. Damals warteten die Menschen auf den Erlöser, heute warten wir als Christen auch auf den Erlöser. Also darauf, dass er ein zweites Mal kommt und uns mit in sein herrliches Reich nimmt.
Der Auftrag, den Gott Johannes damals gegeben hat, war: Sei ein Wegbereiter von Jesus. Sage allen, dass sie sich für Jesus baldige Ankunft bereit machen sollen! Dieser Auftrag gilt auch für uns. So wie Johannes sein bisheriges Leben hinter sich gelassen hat und bereit dazu war, den Sinn seines Lebens völlig neu festzulegen und auf Gott auszurichten, so sollen auch wir, wenn wir Nachfolger von Jesus werden, bereit sein, dem Auftrag Gottes zu folgen und unser altes Leben komplett hinter uns lassen. Wir sollen von nun an für Gott leben.
Wie geht das? Wie können wir Wegbereiter für Jesus sein und im Auftrag des Herrn unterwegs sein?? Unser Auftrag in dieser Zeit ist es, so zu leben und vorzuleben, als ob Gottes Himmelreich schon hier auf der Erde wäre. In der Bibel gibt es viele Vergleiche, wie es dort aussehen wird, wohin Jesus uns Christen mitnimmt, wenn er das zweite Mal kommt. Kranke sind dort nicht mehr krank, es gibt keine Enttäuschungen, keine Einsamkeit, niemand wird angelogen oder betrogen. Es gibt keine Außenseiter oder Mobber. Es gibt dort keine Armen und Reichen. Und vor allem werden wir alle in ganz enger Gemeinschaft mit Gott leben. Genial, oder?
Wenn wir jetzt also den Auftrag von Gott haben, so zu leben, als wäre dieses Himmelreich schon jetzt da, dann haben wir den Auftrag, für Kranke zu beten, damit sie wieder gesund werden, niemanden zu enttäuschen, zu belügen oder zu betrügen, sich mit Außenseitern und Einsamen anzufreunden, niemanden zu mobben, als Reicher den Armen etwas abzugeben und schon jetzt in ganz enger Gemeinschaft mit Gott zu leben. Der Auftrag kann jedoch auch heißen, anderen Menschen von Jesus zu erzählen, damit auch sie später in diesem herrlichen Reich wohnen können. Es kann heißen, einen Hauskreis zu gründen, wo es um Jesus geht oder auch als Missionar nach Afrika oder China zu reisen, um den Menschen dort von Jesus zu erzählen. Gott hat also große Dinge mit uns vor. Die Frage ist nur, ob wir bereit dazu sind.
Uli: Ja, Gott hat Großes mit uns vor. Und die Frage ist auch für mich: sind wir wirklich bereit dazu? Mindestens zwei Dinge sind dabei wichtig. Zum einen ist es wichtig, den Blick für den ersten und den zweiten Schritt zu behalten, und nicht vor lauter Großem, was einen ja vielleicht auch überfordern kann, das Kleine, das groß wird, aus dem Blick zu verlieren. Jesus selbst vergleicht den Glauben mit einem ganz kleinen Senfkorn, aus dem eine große Pflanze wächst. Gott selbst zeigt sich als einfacher, hilfsbedürftiger Mensch, in einem Baby, aus dem ein großer Neuanfang seiner Liebe zu uns entsteht. Nicht jeder ist geeignet, als Missionar in die Fremde zu gehen. Und Mission, das hört sich für viele verstaubt und vorgestrig an. Mission, hinweisen auf die Kraft der Liebe Gottes, das heißt zu-erst mal das, was Johannes hier deutlich macht: „Lebt so, dass niemand unter euch leidet“. Das ist es, was er den Soldaten und den Zöllnern als Ratschlag gibt. Was sich so einfach anhört, ist im Alltag schwer genug. Menschen tun einander weh. Körperlich, materiell, seelisch. Im Kleinen und im Weltmaßstab. Der Wohlstand in Europa, in der entwickelten Welt hängt immer noch daran, dass viel zu viele Menschen keinen gerechten Lohn für ihre Arbeit bekommen. Man könnte noch mehr Beispiele finden. Der erste Schritt, missionarisch, auf die Liebe Gottes hinweisend zu leben, ist es, den anderen, der mir anvertraut ist, der mir begegnet, in den Blick zu nehmen. Für mich hier auf dem Richtsberg wird das in vielen Beispielen ganz praktisch. Da gibt es Menschen, die sorgen dafür, dass sich in den Häusern, in denen sie wohnen, was tut, dass es da nicht wie der letzte Dreck aussieht. Da gibt es Menschen, die haben schon vor langer Zeit angefangen, sich um Kinder zu kümmern, die in ihren Familien manchmal nicht richtig wahrgenommen werden. Es sind die kleinen Schritte, die kleinen Anfänge, aus denen Großes wächst. „Lebt so, dass niemand unter euch leidet.“ – Ein Anfang.
Neben diesem Blick für den kleinen Anfang gehört als Zweites für mich Bereitschaft dazu, sich selbst, den Glauben, die eigenen Selbstverständlichkeiten hinterfragen zu lassen. Johannes sagt den Leuten, die zu ihm kommen: Nehmt euch nicht vor zu sagen: Wir haben Abraham zum Vater. Denn ich sage euch: Gott kann dem Abraham aus diesen Steinen Kinder erwecken. Vielleicht auf den ersten Blick merkwürdig. Aber eigentlich kann man das ganz leicht übersetzen: Lebt eure Berufung! Verlasst euch nicht auf das, was ihr schon seid, sondern lebt es auch! Gott hat ja seinen Bund der Liebe mit dem Volk Israel, mit den Juden, geschlossen. Mit Abrahams Kindern. Gott hat, sichtbar in der Taufe, auch einen Bund mit uns geschlossen. Er verspricht, da zu sein. Er verspricht Liebe und Vergebung. Die Antwort, die anscheinend viele Menschen zur Zeit von Johannes gegeben haben, war: „Toll, Gott, dass du für uns da bist. Wir machen dann mal, was wir wollen, du musst uns ja liebhaben, wir sind doch Abrahams Kinder.“ Und viel-leicht ist das auch eine Antwort, die ich als Getaufter zu oft gebe: „Danke Gott, dass du für mich da bist. Aber ich bin dann mal weg und mach, was ich will!“ Lebe deine Taufe. Lebe die Liebe, mit der du geliebt wirst. Lass dich fragen, ob das, was du tust und lässt, dieser Liebe entspricht. Sei kritisch mit dir selbst. Und bleib nicht bei dir stehen. Nimm die Welt in deinen Glauben mit hinein. Gerade die erste Antwort, die Johannes der Menge gibt, als sie fragt, was sie tun sollen, zeigt das: Wer zwei Hemden hat, der gebe dem, der keines hat; und wer zu essen hat, tue ebenso. Es geht nicht nur um das persönliche Seelenheil, es geht um Gerechtigkeit in der Welt. Glauben schaut nicht nur nach innen, sondern auch nach außen. Für mich ist das die Botschaft, die Johannes uns auch heute noch mitgibt.
Und da merke ich, dass es gut ist, dass Johannes nicht Gottes letztes Wort ist. Johannes bereitet das vor, was durch Jesus zu Ende gebracht wird. Johannes macht auf das aufmerksam, was nicht in Ordnung ist. Er hält den Menschen schonungslos den Spiegel vor. Jesus hilft uns, diesen schonungslosen Blick auf uns, auf unser Versagen auch auszuhalten. Johannes zeigt uns unsere Wunden, unsere Verletzungen und die, die wir anderen zufügen. Und Jesus verbindet und heilt sie. Die Botschaft, die er uns von Gott zeigt, ist die: Ich liebe dich trotz deiner Schuld, trotz allem, was nicht in Ordnung ist. Du darfst neu anfangen. Mach was draus. Wir brauchen beides: Den, der die Wunden aufzeigt und den, der sie verbindet und heilt. Sind wir also bereit, für das Große, das Gott vorhat und das so klein beginnt? Ich wünsche uns, dass wir in diesem Advent Großes erleben. Dass wir erleben, wie aus Not Segen werden kann, wie Kleines groß wird, wie ein ehrlicher Blick auf Schwächen und Schuld neue Liebe wachsen lässt. Gott hat Großes mit uns vor. Durch Liebe, in Liebe. Gott sei Dank.
Amen.
Predigten und Gedanken aus der Thomaskirche auf dem Richtsberg in Marburg
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