Beliebte Posts

Dienstag, 16. Juni 2009

Ey, du kommst hier nicht rein - Himmel und Hölle, 1. n. Trinitatis, Reihe I

Text: Lk 16,19-31

Liebe Gemeinde!

Kata, wärst du bereit, auf dein Handy zu verzichten, es zu verschenken? Wärst du bereit, deine Lieblingsklamotten alle wegzugeben und nur noch altes, abgetragenes Zeug zu tragen? Würdest du freiwillig auf Taschengeld und Geschenke verzichten? Wie sieht’s mit ihnen aus, Herr… / Frau…? Wären sie bereit, auf ihre Rente zu verzichten, die Möbel zu verschenken? Und wie sieht’s bei dir aus, Ulrich Kling-Böhm? Wärst du bereit, auf das, was du dir als Altersvorsorge gespart hast, einfach zu verzichten, Würdest du das, was du jetzt machst, auch machen, wenn du kein Geld dafür bekommen würdest? Egal, wen ich frage, ob andere oder mich selbst: freiwillig auf alles verzichten, auf alles, was man sich erarbeitet oder geschenkt bekommen hat, auf alles, was das Leben irgendwie schön und angenehm und leicht macht, nein, das kommt wohl kaum in Frage. Kommen wir jetzt alle in die Hölle, weil wir was besitzen? Kommen nur die in den Himmel, die richtig arm sind, die richtig krank sind, denen es so dreckig geht, dass man ihnen das ansieht, die niemand anschauen will, die nach den Maßstäben der Mehrheit so richtig hässlich sind? Wenn man die Geschichte vom reichen Mann und vom armen Lazarus so liest, dann könnte man auf genau diese Idee kommen. Der, der was hat, der kommt in die Hölle - und kriegt als Begründung zu hören: dir ging’s doch in deinem Leben gut, da hast du deine Belohnung schon gehabt. Und dem, dem es so richtig schlecht ging, dem winkt das ewige Verwöhnprogramm im Himmel. Schlechte Aussichten für uns, oder? Selbst die Ausrede: „Aber andere haben doch viel mehr. Schau dir doch nur mal die Manager an, die Banken oder Konzerne in die Pleite führen, die Arbeitsplätze vernichten und dann noch Millionen haben wollen! Schau dir doch mal die völlig überbezahlten Sportprofis an oder dir Reichen, die uns in Pro 7, RTL oder anderswo vorgeführt werden, die mit ihrem Besitz angeben! Ich bin doch gar nicht so!“ Selbst diese Ausrede zeiht nicht wirklich! Im Vergleich zu Millionen Afrikanern ist selbst ein Hartz IV Empfänger in Deutschland sehr wohlhabend und es geht ihm im Vergleich zu den Menschen, die im Gaza-Streifen oder in Flüchtlingslagern fast ohne medizinische Versorgung und in ständiger Sorge um ihr nacktes Leben existieren müssen, gut.

Ich finde, das führt zu nichts. Für 99,999% der Weltbevölkerung ist es leicht, jemanden zu finden, der noch reicher ist, dem es noch besser geht - und mindestens 98 % der Bevölkerung in Europa kann man ohne Mühe jemanden zeigen, dem es auf der Welt noch viel, viel schlechter geht. Das, was Jesus hier erzählt, ist extrem radikal. Aber die Grundfrage ist nicht: Wie viel Besitz hast du und ab welcher Besitzmenge kommt man in die Hölle beziehungsweise wie arm muss man sein, damit man in den Himmel kommt? Die Grundfrage ist die: „Wie gehe ich mit Besitz um? Welche Rolle spielt Besitz in meinem Leben und für mein Leben?“ Für mich wird das zum Beispiel am Ende dieser Geschichte deutlich, wenn Abraham ablehnt, einen Boten zu schicken, der die Brüder warnt. Seine Antwort ist ganz einfach: sie brauchen das Jenseits nicht. Gott hat schon so viele Hinweise gegeben, was zu ihm führt und was von ihm wegführt, dass man aus dem genug sehen kann. Und in diesen Hinweisen, in den Worten der Propheten, in dem was im Neuen Testament von Jesus überliefert ist, steht zwar sehr wohl, dass Besitz immer wieder dazu verleitet, von Gott weg zu kommen. Aber es steht nicht drin, dass totale Armut was Tolles sei. Es steht nicht drin, dass es prima sei, wenn man krank ist und wenn alle einen verachten. Den Propheten geht es doch darum, dass die Armut beseitigt wird, Jesus geht es doch darum, dass Krankheit weggeht und Menschen wirklich genug zum Leben haben. Es geht in der Bibel, es geht für Gott, für Jesus, nicht um irgendwelche absoluten Zahlen, die einen berechnen lassen, was Gott mit einem vorhat. Vor dem Tod und nach dem Tod. Es geht vielmehr um zweierlei:

Erstens geht es darum, ohne wenn und aber deutlich zu machen, dass Gott auf der Seite der Menschen steht, die von anderen vergessen werden. Auf der Seite der Menschen, die leiden. Auf der Seite der Menschen, von denen andere sagen: „Mein Gott, sind die eklig“. Auf der Seite der Menschen, denen andere verweigern, ihnen das zum Leben Nötige zu geben. Auf der Seite der Menschen, die arm, dreckig und krank gemacht werden. Da ist Gott. Da ist Jesus. Ob wir das gern hören oder nicht. Das ist das Erste.

Und das Zweite: Das ist für mich die Frage, was der Besitz, was das Besitzenwollen mit unserer Seele macht. Von klein auf wird uns oft beigebracht, dass das Besitzenwollen und das Haben das Leben besser und sicherer macht. Mit der richtigen Kleidung, mit dem richtigen Handy, mit dem richtigen Auto, mit der richtigen Altersvorsorge wird das Leben lebenswert und schön. Der reiche Mann in der Geschichte, der ruht sich auf seinem Besitz aus, der gibt an, der sieht nicht, dass Besitz auch Verpflichtung ist. Ich glaube nicht, dass er uns furchtbar fern und fremd ist. Besitzenwollen und damit angeben, sich darauf was einbilden - das ist sehr menschlich. Und wenn’s darum geht, die schönste Frau oder den tollsten Mann, die besten Kinder zu haben. Oder die schönste Kirche, den besten Pfarrer oder, oder, oder… Und selbst wenn jemand bereit ist, seinen ganzen materiellen besitz abzugeben und zu verzichten - dann heißt das noch nicht, ein Leben ohne Besitzansprüche zu führen. Jetzt habe ich mir das Himmelreich verdient, jetzt habe ich mir das Ansehen der Leute verdient, jetzt kann ich mich verdientermaßen einen guten Menschen nennen. Paulus sagt einen klugen Satz: „Auch wenn ich meinen ganzen Besitz den Armen geben würde, aber keine Liebe dabei hätte, wär’s völlig umsonst“. Die Seele wird leichter und Leben gelingt besser, wenn ich frei werde von dem Wunsch, immer mehr für mich zu besitzen, wenn ich frei werde von der falschen Überzeugung, mir Sicherheit selbst herstellen oder sogar kaufen zu können. Aber schaffe ich das? Ist das realistisch, ist das menschlich? Schaffe ich es, mich unabhängig von dem zu machen? Schaffe ich es, mich dem, was mir dauernd überall gesagt wird, dass ich mir was aufbauen muss, dass ich was haben muss, damit ich gut und sicher leben kann, etwas entgegenzusetzen? Keine Ahnung! Ich merke bei mir selbst, wie schwer das ist. Aber ich merke auch, dass es wichtig ist, so einen Stachel wie den Predigttext heute zu haben. Wie gesagt, es geht nicht darum, dass Armut toll ist. Es geht auch darum, den Armen, den Bedürftigen, den, der nichts gilt - mal ganz platt: den Assi, die Pickelfresse, wahrzunehmen und die eigenen Möglichkeiten auch für ihn einzusetzen. Und ihm zu zeigen, dass Gott auf seiner Seite ist. Und das auch für sich zu akzeptieren. Für mich ist es, und da muss ich ganz politisch werden, ein Skandal, dass das so genannte christliche Abendland alle Grenzen dicht macht und es viel zu vielen egal ist, was mit den Bootsflüchtlingen zum Beispiel aus Afrika passiert. Für mich ist es aber auch keine Lösung, einfach zu sagen: Kommt alle her, wir sind ja reich. Für mich ist die christliche Antwort auf die Herausforderung der Armut, den Menschen dort, wo sie sind, Möglichkeiten zu eröffnen, ein menschenwürdiges Leben, ein Leben, in dem nicht die Sorge um das Überleben das Bestimmende ist, möglich zu machen. Das zehrt auch an unserem Reichtum, weil wir dann zum Beispiel faire Preise für das, was wir anziehen oder verbrauchen zahlen müssten.

Mich macht der Predigttext heute wirklich unruhig. Weil er mir sehr deutlich zeigt, wie weit ich davon weg bin, Patentrezepte für ein gutes Leben zu haben. Wie weit ich doch gefangen bin in dem Wunsch, mich absichern zu wollen, wie froh ich über das bin, was ich habe.

Aber ich glaube, dass Unruhe gut ist. Weil sie mit dazu hilft, dass ich mich bewege, dass ich nicht bequem werde und sage: da kann ich ja nichts machen. Weil sie mir zeigt, dass ich eigentlich nichts von mir, aber alles von Gott erwarten und erhoffen muss - aber auch darf.

Amen.

Keine Kommentare: