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Freitag, 24. August 2012

"Vanity is the first sin" - Eitelkeit ist die Grundsünde - 13. So n. Tri., 02.09.13, Reihe IV

Die Predigt wurde im Rahmen eines Predigttausches auch am 12. So. n. Tr. gehalten
Text: Genesis (1. Mose) 4,1-16 (Einheitsübersetzung)

Liebe Gemeinde!
Mord in der Familie! Aktueller könnte in diesen Wochen kaum eine Geschichte aus der Bibel sein. Es waren Morde von Eltern an ihren Kindern, an ihren Ehepartnern, an sich selber, die in den letzten Wochen traurige Schlagzeilen gemacht haben. In manchen Fernsehberichten und auf manchen Fotos im Internet und in Zeitungen waren wieder mal Fotos von selbstgemachten Schildern mit der Frage „Warum?“ zu sehen. „Wie kann man das nur machen? Wie kann man nur die eigenen Kinder umbringen?“ Oder andere Menschen, zu denen man eine ganz besondere Vertrauensbeziehung hat. Ich frage mich das genauso wie Hunderttausende, vielleicht Millionen anderer auch. Morde in der Familie. Vielleicht kommen dem einen oder der anderen auch die sogenannten „Ehrenmorde“ wieder in den Sinn. Morde von Vätern, meistens aber von Brüdern, an ihren Schwestern oder Töchtern weil sie mit ihrer Art zu leben angeblich die Ehre der Familie verletzt haben. Wie kann man das nur machen? Alles nur eine Sache armer Irrer oder rückständiger Muslime? Ich habe keine gültige Antwort. Ich habe Fragen. Und ich habe einen Verdacht. Den Verdacht nämlich, dass das keine Frage rückständiger Muslime oder psychisch total kranker Menschen ist, kein unerklärliches Phänomen, sondern im Grunde eine Frage des Menschseins. Ich habe den Verdacht, dass es möglicherweise bei diesen unbegreiflichen Morden um etwas ganz Ähnliches geht wie in der Geschichte von Kains Brudermord an Abel. Da geht es für mich um gekränkte Eitelkeit. Gott nimmt Kains Opfer nicht wahr. Im Gegensatz zu dem seines Bruders Abel. Kains Eitelkeit, sein Gefühl, etwas gelten zu sollen und zu müssen, ist verletzt. Und dann geht die Geschichte so tragisch und dramatisch weiter. Bei einem Familienmord dieser Tage in Berlin ging es darum, dass der Mann nicht mit Schulden leben wollte und er auch seiner Familie keine materielle Armut zumuten wollte. Bei einem anderen Mord ging es darum, dass die Frau mit den Kindern den schlagenden Mann und Vater verließ, bei einem anderen darum, dass die Tochter älter wurde und sich von der alleinerziehenden Mutter löste. Bei den sogenannten Ehrenmorden einfach um das in den Augen der Männer beschädigte Ansehen. „Eigentlich steht mir doch mehr, was anderes zu. Eigentlich müsste ich doch besser dastehen. Ich will was sein, ich will was gelten, lieber will ich auf andere herabschauen als dass andere besser als ich sind.“ Gekränkte Eitelkeit. Vielleicht wie bei Kain, der nicht ertragen wollte, dass bei seinem Bruder was besser war. Er war doch der Ältere! Er hieß doch Kain, auf Deutsch etwa „Gewinn, Errungenschaft“ und nicht Abel, „Hauch, flüchtig, vergänglich“ wie sein kleiner Bruder! Gekränkte Eitelkeit. Ich finde es immer wieder erstaunlich, wie lebensnah, wie ehrlich, wie aktuell die Grunderzählungen über Gott und uns Menschen in der Bibel bis heute sind.
Natürlich führt gekränkte Eitelkeit nicht immer zum Mord. Ich bin selbst Bruder einer jüngeren Schwester und ich war zwar in meinem Stolz verletzt, dass ausgerechnet meine kleine Schwester beim Fußball vor mir gewählt wurde, dass sie zur Konfirmation mehr Geschenke bekam – aber meine Schwester lebt noch.

Freitag, 17. August 2012

Ich bin kein guter Christ - 11. Sonntag n. Trinitatis, 19.08.2012, Reihe IV

Text: Galater 2,16-21 (Zürcher)

Liebe Gemeinde!
„Wissen sie, Herr Kling-Böhm, ich bin kein guter Christ!“ – Immer wieder erzählen mir Menschen so etwas. Manche alten Menschen, die ich zu Geburtstagen oder im Altersheim besuche genauso wie manche jungen Eltern, von denen ich ein Kind taufen soll oder Paare, die heiraten möchten. Manchmal auch Konfirmanden oder Schülerinnen und Schüler. Unterschiedliches steck mit in der Aussage: „Ich finde es schön, dass sie mich besuchen, mir zum Geburtstag gratulieren, aber machen sie sich keine Hoffnung, dass ich deshalb jetzt immer in den Gottesdienst komme. Ich bin kein guter Christ, viel zu vieles in meinem Leben macht es mir schwer, einfach so an Gott zu glauben.“ „Wir finden es wichtig, dass unser Kind von Gott angenommen ist, aber wir leben ehrlich gesagt nicht so wie gute Christen leben sollten.“ „Das Standesamt allein ist uns zu wenig, aber wir haben in letzter Zeit nichts mit der Kirche zu tun gehabt!“ „Ich finde es zwar ganz okay, dass es Reli gibt und ich will konfirmiert werden, aber ich will auch meinen Spaß haben!“ Manchmal bekomme ich das so gesagt. Und wenn ich dann mal nachfrage, was  denn nach ihrer Meinung ein guter Christ wäre, dann bekomme ich  zu hören: „Ein guter Christ geht sehr regelmäßig in die Kirche. Ein guter Christ kennt sich richtig in der Bibel aus. Ein guter Christ hält sich an die 10 Gebote. Ein guter Christ zweifelt nicht, trinkt nicht, raucht nicht und ist im Wesentlichen ein asexuelles Wesen – außer zur Fortpflanzung. Ein guter Christ kennt viele Regeln und Gebote und hält sich an die.“ Ein ganz schön strammes Programm. Aber eines, das man klar nachvollziehen kann und nach dem man Menschen einteilen kann: gute Christen – schlechte Christen – gar keine Christen. Ich habe manchmal den Eindruck, dass wir Menschen das ganz dringend brauchen: die Möglichkeit uns und damit auch andere in Kästchen einzuteilen. In drinnen und draußen, in die, die dazugehören und okay sind und die, die Außenseiter und nicht so toll sind. Funktioniert nicht nur bei der Einteilung in gute und schlechte Christen, sondern auch in gute und schlechte Eltern – „Oh, das Kind kriegt kein Bio-Gemüse? – Dann können die Eltern aber nicht so toll sein!“ In gute und schlechte Ehen, in drinnen und draußen bei vielen unterschiedlichen Gruppen und Grüppchen. Ein guter Christ macht, gute Eltern machen, ein guter Lehrer macht,  eine gute Ehefrau macht, ein guter Punker macht, ein guter Skater macht, ein cooler Zocker macht und so weiter und so weiter. Wir sehen von außen, an welche Regeln sich jemand scheinbar hält und teilen ein und urteilen.
Vielleicht können wir nicht anders. Vielleicht lohnt es sich aber öfter mal, einen anderen Ansatz zu probieren. Das ist keine Frage der heutigen Zeit, sondern das ist etwas, was wahrscheinlich schon immer in Menschen drin ist, seit wir denken können und uns in Beziehungen zusammenfinden. Drinnen und draußen, gut und schlecht. Und deshalb beschäftigt sich zum Beispiel auch Paulus in der Bibel, in seinen Briefen, mit solchen Fragen. In seinem Brief an die Galater, das sind die Christen, die in der Mitte der heutigen Türkei leben, da nimmt er Stellung zu der Frage, ob das Einhalten von Regeln und Gesetzen einen Menschen zu einem guten Christen machen. Petrus und ein paar andere haben nämlich Wert darauf gelegt, dass nur die wirklich gute Christen sind, die sich auch an die Gesetze des Alten Testaments halten und zusätzlich zum Christsein auch noch Juden werden, wenn sie es nicht schon längst waren. Petrus ging soweit, dass er dann nicht mal mehr mit denen gegessen hat, die sich als Christen nicht an die jüdischen Regeln und Gesetze gehalten haben. Paulus, der ja selber ein Jude war, schreibt dann unter anderem dazu:
Lesen: Galater 2,16-21
Zugegeben, das sind heute nicht mehr unsere Probleme. Aber ich glaube, dass wir für das Leben als Christen genauso wie für das Zusammenleben überhaupt eine Menge von Paulus lernen können, unabhängig von dem Glauben, den ein Mensch hat. Es hört sich ja erst einmal sehr merkwürdig an, wenn Paulus schreibt: Gerechtigkeit kommt nicht aus dem Gesetz und wenn sich ein Mensch an das Gesetz hält, dann wird er dadurch nicht gerecht. Paulus meint ja hier erst einmal das Gesetz Gottes, die Gebote aus der Bibel. Was er sagen will ist, glaube ich, nicht: haltet euch nicht an Regeln und macht was ihr wollt. Was er sagen will, ist eher: Du kannst Gott nicht durch

Samstag, 11. August 2012

Alles gut?! - 10. Sonntag n. Tr. (Israelsonntag), 12.08.2012, Reihe IV

Text: Jesaja 62,6-12
Liebe Gemeinde!


Am Ende wird alles gut! Genau das verspricht hier der Prophet, der Jesaja genannt wird, den Menschen, denen er lange vor unserer Zeit das gesagt hat, was ich eben vorgelesen habe. Die Stadt, die im Krieg zumindest teilweise zerstört wurde, wird wieder aufgebaut. Sie wird so etwas wie der Mittelpunkt der Welt, ein Anziehungspunkt für viele, viele Menschen, die sehen können, wie gut das Leben sein kann. Die Menschen in der Stadt werden in Frieden leben. Es gibt keine Ausbeutung mehr. Jeder wird mit seiner eigenen Arbeit genug zum Leben verdienen. Die Menschen in der Stadt werden erlöst sein. Die Stadt wird ein Vorbild für andere sein, alle werden die Stadt suchen wollen, weil man dort den Frieden mit Gott sehen und spüren kann. Am Ende wird alles gut! Aber wann wird das sein?

Ein Happy-End, das gibt’s ja mittlerweile höchstens noch in Filmen, die an der Grenze zum Kitsch stehen oder in wenigen Büchern. Wenn es im Film überhaupt ein Happy-End gibt, ahnt man doch meistens schon, dass das nur eine Durchgangsstation zu neuen Schwierigkeiten ist, eine kurze Pause, bevor in Teil 2, Teil 3 und Teil 4 neue große und kleine Katastrophen und Unglücke hereinbrechen. Am Ende wir eben nicht alles gut, zumindest nicht auf Dauer. Das lehren uns nicht nur Filme. Auch im wirklich gelebten Leben gibt es nicht für alles ein glückliches Ende. Auch Menschen, die ganz fest auf Gott vertrauen, werden krank, sterben manchmal einsam und mit Schmerzen. Auch Ehen von Menschen, die auf Gott vertrauen, können scheitern und nicht alle, die an Gott glauben, finden einen tollen Beruf oder sind richtig gute Schüler.

Am Ende wird alles gut?! – Da fällt einem mehr als ein Grund ein, vorsichtig zu sein und vielleicht auch zu den-ken: An dem Punkt hat sich der Prophet in der Bibel aber doch so ein bisschen geirrt. Vor allem dann, wenn man sich klar macht, welche Stadt es ist, die der Prophet da beschreibt und von der er so ein schönes Bild in der Zu-kunft entwirft. Es ist eine Stadt, die es heute noch gibt: Jerusalem. Heilige Stadt für Juden, Christen und Musli-me. Und seit Jahrtausenden eine Stadt, die auch für die Zerrissenheit der Menschen steht. Mehrfach wurden die Bewohner vertrieben und mit ihnen sollte der Glauben an Gott aus der Stadt getrieben werden. Im Jahr 70 wurde von den Römern der Tempel zerstört und etwas später wurde Juden verboten, die Stadt überhaupt zu betreten. Auch nach dem Ende der römischen Herrschaft war die Stadt immer wieder umkämpft, Zentrum grausamer Krie-ge, vor allem Muslime und Christen haben sich da durch Gewalt hervorgetan. Und heute? Bestenfalls herrscht in

Donnerstag, 2. August 2012

Vorbilder statt Abziehbilder - 9. Sonntag n. Trinitatis, Reihe IV

Text: Jeremia 1,4-10 (wird im Verlauf der Predigt gelesen)


Brauchen Menschen, brauchen wir Vorbilder? Ich finde, dass sich die Frage nicht so leicht beantworten lässt. In meinem Urlaub vor ein paar Wochen habe ich, passend zu den jetzt stattfindenden olympischen Spielen, zwei interessante Filme gesehen. Der eine berichtete von einem Jungen aus Somalia, dessen Vater vor seinen Augen getötet wurde, als er noch klein war. Als kleines Kind wurde er entführt, als Kindersoldat erlebte er im Grundschulalter unvorstellbare Grausamkeiten. In einem Flüchtlingslager lebte er dann mehrere Jahre als Jugendlicher und wurde schließlich von einer amerikanischen Familie adoptiert. In den USA war er zunächst Außenseiter, aber er lief gern und gut. So gut, dass er vor vier Jahren bei der Eröffnung der olympischen Spiele in Peking die amerikanische Fahne bei der Eröffnungsfeier tragen durfte. Der andere Film berichtete von einer jungen Frau, für deren Figur „dick“ noch eine freundliche Umschreibung war. Aber sie ist unglaublich sportlich, sehr gelenkig, spielt als erste Frau in einer College- Männermannschaft Football, was bei uns in etwa der 2. Fußballbundesliga entspricht, und nimmt für die USA in diesem Jahr als Gewichtheberin an den olympischen Spielen teil. Auf ihre Figur angesprochen, antwortete sie in etwa: „Wenn andere denken, ich wäre deshalb behindert oder blöd, sollen sie erst mal das leisten, was ich kann.“ Ich denke schon, dass die beiden auf ihre unterschiedliche Art Vorbilder sein können. Nicht, weil jeder sportlich sein und an olympischen Spielen teilnehmen muss, sondern weil sie etwas anderes zeigen. Der junge Mann könnte andere inspirieren, die als Kinder ebenfalls sehr Schlimmes erlebt haben, die Hoffnung zu behalten, dass nicht das ganze Leben zerstört sein muss und dass man einen Weg finden kann. Die junge Frau könnte Menschen inspirieren, deren Aussehen ebenfalls nicht den Maßstäben der Werbung, von Filmen und Modeindustrie genügt, jenseits aller Vorurteile und Verurteilungen einen eigenen Weg zu finden.
Wenn Vorbilder dazu inspirieren, eigene Wege zu gehen, dann ist das was Gutes. Wenn Vorbilder aber dazu führen, das Eigene zu vergessen und man nur noch so werden will wie sie, dann werden sie zu Idolen, Götzen, nehmen gefangen, lenken von den eigenen Möglichkeiten ab – und das ist nicht gut.
Wenn jemand aber sagt:“ Ich bin ich, ich brauche keine Vorbilder“ – dann ist das auch nicht unbedingt gut. Denn „Ich bin ich“ ist zwar an sich richtig, kann aber zwei Gefahren haben: einmal die bequeme Variante: „Ich bin halt so, ich kann und will mich nicht ändern und will auch aus meinen Fehlern nicht lernen“. Zum anderen aber auch die Variante: „Ich bin ich, ich interessiere mich nicht für die anderen, ich schau nicht nach rechts und links, zieh mein Ding durch, notfalls mit dem Kopf durch die Wand!“ Rücksichtsloser Egoismus – genauso gefährlich wie totale Bequemlichkeit oder blindes Folgen und Aufgeben der eigenen Persönlichkeit. Inspiration für den eigenen Weg, das ist etwas richtig Gutes. Ziemlich langer Vorspann, ich weiß. Aber ich  möchte heute mit Euch und Ihnen über den Predigttext mal unter der Überschrift „Vorbilder“ nachdenken. Der Predigttext steht im Buch Jeremia im 1. Kapitel und erzählt, wie Jeremia überhaupt Prophet wurde.
Lesen: Jer 1,4-10
Ist Jeremia ein Vorbild für Menschen, die den Glauben an Gott leben? Warum sollten wir uns im Jahr 2012 sonst mit einem Mann beschäftigen, der ungefähr 600 Jahre vor Christus gelebt hat? Jeremia ist einer, der Gottes Wahrheit den Menschen in seinem Land sagt. Und, so erzählt es ja hier der Anfang, er kann sich auch ziemlich sicher sein, dass das, was er sagt, nichts ist, was er sich ausgedacht hat, sondern wirklich von Gott kommt. Gott sucht sich einen Menschen dafür aus, der von sich sagt „Ich bin zu jung!“ Das muss sich nicht unbedingt nur auf das Lebensalter beziehen. Mitgemeint war auch: ich bin nicht besonders gebildet. Ich komme nicht aus einer Familie, die besonders angesehen ist. Ich bin nicht besonders reich und habe wenig Einfluss auf andere. So einen sucht Gott sich aus. Er soll die Wahrheit sagen, die meistens ziemlich unbequem ist.  Ihm wird versprochen, dass Gott wirklich bei ihm ist und dass diese Wahrheit -  und deshalb auch Jeremia - letztlich mächtiger ist als alle Königreiche und Staaten. Jeremia hat die Wahrheit Gottes gesagt, auch die unbequeme. Und er hat erlebt, dass diese Wahrheit ziemlich einsam machen kann, dass ihm nur wenige glaubten und zuhören wollten, dass bis auf wenige Ausnahmen Freunde sich abwandten. Er hat an seinem Auftrag, an der Wahrheit gelitten, aber er hat Gott und die Wahrheit nicht verraten. Was am Ende aus ihm geworden ist, wissen wir nicht. Seine Geschichte endet im Dunkel der Zeit.
Jeremia, ein Vorbild? Ein Vorbild für Christen in Marburg 2012?