Zukunft ist was Wunderbares. Wenn man mit 16, 19 oder 20 Jahren die Schule abgeschlossen hat, einen Studienplatz oder Ausbildungsvertrag in der Tasche hat und einem die ganze Welt offenzustehen scheint. Zukunft ist was Wunderbares. Wenn man gerade glücklich geheiratet hat und sich Träume vom gemeinsamen Leben machen kann. Zukunft ist was Wunderbares. Wenn man gerade Vater oder Mutter eines gesunden Kindes geworden ist, das man sich auch gewünscht hat und finanziell einigermaßen abgesichert ist. Zukunft ist was Wunderbares, wenn… - und wenn nicht? Heute ist der erste Tag deiner Zukunft – wenig verlockende Aussicht, wenn es der erste Tag ohne Job ist. Oder wenn ich eine niederschmetternde medizinische Diagnose bekommen habe. Oder gerade verlassen worden bin. Oder die Abiprüfung, Examen oder anderes sich wie eine unüberwindliche Hürde vor mir auftürmt. Oder wenn Krankheit und Alter das Verlassen der geliebten und gewohnten Umgebung unausweichlich gemacht haben.
Es ist ein Märchen, dass jedem Anfang ein Zauber innewohnt, „der uns beschützt und der uns hilft, zu leben“, wie Hermann Hesse es in seinem Gedicht „Stufen“ beschreibt. Es gibt Anfänge, die in eine Zukunft weisen, die nicht gerade zauberhaft zu werden verspricht. Ich selber finde es manchmal unerträglich, wenn dauergrinsende Zombies, die sich manchmal auch Motivationstrainer nennen, mir einhämmern wollen: „Denke positiv!“ Nur mit positiven Gedanken allein lässt sich die eigene Zukunft nicht zum Guten lenken. Ich finde es anmaßend, Menschen weis machen zu wollen: „Alles wird gut!“ Es wird nicht alles gut. Aber manchmal finde ich es sehr hilfreich, sich nicht in einer tatsächlichen oder auch nur gefühlten Leidensspirale nach unten ziehen zu lassen.
Da gibt es einen Menschen, dem droht sein Lebenswerk völlig zu entgleiten. Er hat Beziehungen geknüpft, Netzwerke aufgebaut – und plötzlich lassen die, die ihn eben noch gut fanden, ihn fallen. Ideen, die gestern noch gut waren, scheinen heute nichts mehr zu gelten. Andere haben sich in den Vordergrund gespielt. Der Mensch ist unten angekommen. Gefängnis, üble Nachrede, böse Gerüchte – das kennt er nicht nur aus fremden Erzählungen, das war oder ist Teil seines Lebens. Nein, nicht des Lebens von Anton Schlecker oder Christian Wulff. Teil des Lebens von Paulus. Seines Zeichens Christ, Missionar, Apostel, Gemeindegründer. Vor fast 2000 Jahren. Viele halten ihn für gescheitert. Mit seiner wichtigsten Gründung, der Gemeinde in Korinth, lebt er in heftigem Streit. Und genau in dieser Situation schreibt er: „Siehe, jetzt ist die Zeit der Gnade, siehe, jetzt ist der Tag des Heils“ (2. Korinther 6,2). Die Gegenwart ist nicht deshalb gut und heilsam, weil sie so schön ist, sondern weil es eine Zeit ist, in der Gott sich nicht aus der Welt verabschiedet. Gott selber hat sich schwach gezeigt. Jesus am Kreuz – für viele Menschen, nicht nur zu Zeiten des Paulus, eine lächerliche Niederlage. Was Paulus, und mit ihm und nach ihm und vor ihm viele, die Gott vertrauen, stark gemacht hat, ist nicht das Leugnen oder Ausblenden von Leid und Schwäche. Es ist die Hoffnung und das Vertrauen, dass das Leid nicht das letzte Wort behält und dass aus der Schwachheit neues Leben entsteht. Die Zukunft wird nicht leicht und rosig und manches wird auch in Zukunft danebengehen. Aber auch da wird Gott sich nicht verabschieden, sondern Kraft zum Leben geben.
Heute ist der erste Tag deiner Zukunft! So richtig wie banal. Mir bleibt nichts anderes, als diesen Tag zu leben. Und jeden anderen Tag meiner Zukunft auch. Mir bleibt die Hoffnung, dass dieser erste Tag, wie alle anderen Tage auch, nicht gottverlassen ist, auch wenn manche Tage so wirken. Und mir bleibt Vertrauen. Vertrauen in Gnade und Heil, die nicht künstlich beschönigen, aber aktiv helfen, das Leben anzunehmen. Ich habe kein anderes. Heute ist der erste Tag meiner Zukunft. So ist es.
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