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Sonntag, 21. August 2011

Das Sein ist im Werden ???!!! (Zumindest als Christ) - 9. n. Trinitatis, 21.08.11, Reihe III

Text: Mt 7,24-29



Liebe Gemeinde!

Bist du ein Christ? Wer von euch und ihnen beantwortet die Frage mit einem ganz klaren „Ja“? Wer mit einem „Nein“? Und wer sagt „Vielleicht, ich bin mir da nicht so ganz sicher?“ Vielleicht, das ist die menschlichste Antwort. Vielleicht legt einen nicht fest und lässt alles offen. Und außerdem sind wir Menschen ja von unserem Wesen her nicht allwissend, wir können uns irren, warum also nicht auch in Bezug darauf, ob wir Christen sind oder nicht. Spannend sind die Ja- und die Neinsager. Jeder, der sich festlegt, der hat doch zumindest eine Ahnung, wenn nicht gar eine feste Überzeugung davon, was einen Christen ausmacht und was nicht. Bis Freitag hätte ich für mich die Frage, ob ich ein Christ bin, ganz klar mit einem Ja beantwortet. Ja, ich bin ein Christ. Ich bin getauft. Natürlich ist die Taufe nicht das einzige Merkmal. Aber schon ein wichtiges. Die Taufe stellt uns sichtbar in eine Verbindung zu Gott. Aber die Taufe, das ist etwas, was meine Eltern entschieden haben. Ich hätte ja auch einen ganz anderen Lebensweg einschlagen können. Hitler und Stalin, die schlimmsten Menschenvernichter des letzten Jahrhunderts, die Millionen Menschen auf ihrem Gewissen haben, waren schließlich auch getauft.
 Christsein ist also kein Zustand, den man einmal hat und dann ist es halt so für den Rest des Lebens. Gut, ich bin nicht nur getauft, ich bin auch konfirmiert. Ich habe selbständig „Ja“ zu meiner Taufe gesagt. Aber in dem kleinen Dorf, aus dem ich komme, hätte ich auch keine andere Wahl gehabt, wenn ich mich, meine Eltern und meine Omas nicht zu totalen Außenseitern hätte machen wollen und außerdem habe ich mich über die Feier und die Geschenke auch gefreut. Da war schon auch Glauben dabei, aber eben auch andere Motive. Trotzdem hätte ich bis letzten Freitag ganz klar gesagt: „Ich bin ein Christ! Ich glaube an Gott, ich vertraue darauf, dass Jesus mich zum Guten führt. Ich kenne mich in der Bibel ganz passabel aus, ich glaube, dass die Propheten, die Apostel, die Schriften der Bibel Wahrheit über Gott, über Jesus und uns Menschen erzählen. Und als Pfarrer erzähle ich das sogar noch weiter und versuche, andere davon zu überzeugen, dass der Glauben an Gott eine Hilfe im Leben ist und dem Leben gut tut und ich versuchen Menschen, denen der Glauben an Gott fremd geworden ist, einen neuen Zugang dazu zu öffnen. Ich bin ein Christ. Aber dann kam der letzte Freitag. an dem habe ich mich auf die Predigt heute vorbereitet. Als ich den die Geschichte vom doppelten Hausbau dann gelesen hatte, habe ich gedacht: „Langweilig, kennst du doch!“ Der eine baut sein Haus auf sicheren Grund, das ist der, der Jesus vertraut, und der wird auch in den Stürmen des Lebens bestehen. Und der andere, der sich selbst vielleicht mehr vertraut oder dem Geld oder ande-ren Dingen, der baut auf unsicherem Grund und bei dem stürzt am Ende alles ein. So weit, so langweilig, was will man dazu schon sagen? Aber dann habe ich mir die Ge-schichte noch einmal genauer angeschaut und gemerkt: „Oh, da bist du ja mittendrin! Und ob du der bist, der sein Haus auf sicherem Grund gebaut hat, ist gar nicht so klar!“

Es ist nicht so klar, weil da nicht steht: „Wer Gottes Wort hört, der ist wie ein Mann, der auf Felsen baut“ oder „Wer an Jesus glaubt, der ist wie ein Mann, der auf Felsen baut“, sondern Jesus sagt da: „Wer diese meine Rede hört und tut sie, der ist wie ein kluger Mann, der auf Felsen baut und wer meine Rede hört und tut sie nicht, der ist wie ein törichter Mann, bei dem das Haus zusammenstürzt!“ Hier im Matthäusevangelium steht das am Schluss einer längeren Rede von Jesus, der Bergpredigt. Ganz offensichtlich bezieht sich das auch darauf. Ein festes Haus auf festem Grund, etwas, was Bestand hat: dazu gehören ganz offensichtlich Glauben und Handeln. Und wenn ich mir die Bergpredigt, die Rede von Jesus, die er vor diesem Beispiel hält, ansehe, dann muss ich mich wirklich fragen, ob ich das nicht nur höre, sondern das auch tue. Sie fängt eigentlich ganz passabel an und in den Seligpreisungen, da wird gesagt, dass die, die hier in dieser Welt aus den unter-schiedlichsten Gründen leiden müssen, Gott besonders am Herzen liegen und dass Gott ihnen Gerechtigkeit schenken wird. Prima. Aber dann kommt es dicke. Man soll nicht nur den Nächsten Lieben und ihm Gutes tun, sondern ganz ausdrücklich auch die Feinde. Diejenigen, die etwas von einem wollen, soll man mit mehr beschenken, als sie eigentlich wollen. Man soll sich um materielle Dinge keine Gedanken machen. Sorgen führen weg von Gott. Nicht nur, dass Ehescheidungen problematisch werden, schon das bloße Begehren einer anderen Frau wird mit Ehebruch gleichgesetzt, ohne dass es überhaupt zu irgendeiner Praxis gekommen sein muss. Geld führt eindeutig von Gott weg. Und wenn ich mir da mich selbst und die Menschen, von denen ich glaube, dass sie Christen sind, anschaue, dann fallen mir viele Dinge ein, bei denen ich mich frage: Bin ich wirklich Christ? Ich bin zum Beispiel jemand, der gern plant und gern im Voraus denkt, sorglos in den Tag hinein leben fällt mir schwer. Und wenn an meiner Haustür Leute klingeln und Geld wollen, bin ich selten bereit, mehr zu geben, als das, was sie wollen. Ich habe zwar keine Feinde, die mir wirklich Böses wollen. Aber es gibt Menschen, die ich zwar einigermaßen respektie-ren kann, aber lieben kann ich sie nicht. Vielleicht gibt es andere, die ganz toll für arme Menschen da sind und von ihrem Besitz ganz viel abgeben, denen aber viel-leicht die Treue in der Ehe nicht so wichtig ist. Oder welche, die das prima hinkriegen und auch ihre Feinde lieben, die aber als Manager aktiv sind und sich im Be-ruf so richtig nach dem Geld richten.

Also: Wer ist eigentlich Christ? Keiner? Jeder Getaufte, weil jeder doch irgendwo scheitert? Oder eine Elitetrup-pe, die das alles schafft und der Rest eigentlich nicht? Haben die Recht, die weder ja noch nein, sondern viel-leicht sagen – wobei Jesus gerade auch in der Bergpre-digt sagt, das man im Leben eindeutig ja oder nein sa-gen und nicht so herumeiern soll.

Nach langem Nachdenken sage ich heute doch: Ja, ich bin Christ. Und ich möchte allen Mut machen, das auch zu tun. Trotz aller Unsicherheit. Was mir zu dieser Ent-scheidung geholfen hat, hat einiges mit dem Gleichnis zu tun. Jesus vergleicht hier das Leben mit einem Hausbau. Ein Haus wird nie wirklich fertig. Wenn ich nicht immer wieder mal was renoviere, unpraktisches umbaue, Schäden ausbessere, wird es irgendwann nicht mehr da sein. Leben, gerade auch als Christ, ist genauso unfertig. Glauben ist kein Besitz, in den ich mich zurückziehen kann. Sondern eine Heimat, die sich aber immer auch verändert, die Leben, Umbau, Veränderung braucht. Glauben ist kein Stillstand. Wenn ich Christ sein will, muss ich immer wieder, nicht nur als Täufling, nicht nur als Konfirmand, bereit sein, Christ zu werden. Als Pfarrer, als Kirchenvorsteherinnen, als Mitarbeiter, als jemand, der sein Christsein in anderen Zusammenhängen lebt. Das zweite ist die Frage nach dem Fundament. Das ist das, was unter dem Haus ist, was man normalerwiese nicht sieht. Als Mensch sehe ich immer nur das Lebenshaus eines anderen. Ob das Fundament standhält, kann ich nicht beurteilen. Das wird Gott, wird Jesus zeigen. Deshalb muss ich sehr vorsichtig damit sein, den Glauben und das Fundament der anderen zu beurteilen. Für mich ist dieses Gleichnis vom Hausbau nicht die Aufforderung, allgemein einzuteilen, wer Christ ist und wer nicht, sondern meinen eigenen Boden, mein eigenes Fundament kritisch zu überprüfen. Und da sieht es nicht immer superstabil aus. Ich weiß nicht, ob mein Lebenshaus, mein Glaubenshaus allen Stürmen und Erschütterungen standhält. Und trotzdem: je mehr ich darüber nachdenke, desto bestimmter sage ich: ich bin Christ. In dem Sinn, dass ich weiß, dass das ein Weg ist, zu dem auch Umwege und manchmal Sackgassen gehören, aus denen ich aber umkehren darf. Warum ich mich das traue? Weil Jesus die Kirche, die Gemeinschaft der Menschen, auf Petrus baut, das sagt er im gleichen Evangelium, in dem auch unser Predigttext steht. Ausgerechnet auf Petrus, der manchmal eine zu große Klappe hatte, der Jesus auch verleugnet hat und der mit den anderen Jüngern die Kinder von Jesus wegschicken wollte. Und Jesus hat ausgerechnet Paulus in seinen Dienst genommen. Der verfolgte erst Christen und war dann später auch manchmal ziemlich deprimiert, weil ihm manches nicht gelang. Menschen, die nicht immer alles richtig gemacht haben, die nicht perfekt waren. Menschen werden schuldig. Auch im Glauben. Menschen erkennen nicht die ganze Wahrheit. Auch im Glauben. Aber das Fundament, auf dem wir bauen können, ist die vergebende Liebe von Jesus, der den Schuldigen annimmt. Der aus dieser Liebe heraus Menschen die Chance gibt, sich zu ändern und neu anzufangen. Das ist das Tun, von dem hier die Rede ist. Das mich nicht die Angst, was falsch zumachen lähmt, nicht die Erfahrung, dass auch mein handeln falsch war und manchmal auch falsch ist, sondern dass ich den Mut habe, aus dem Glauben heraus zu handeln und ihn nicht nur als Gedankenspiel zu begreifen. Weil ich weiß: In aller meiner Unvollkommenheit gilt auch mir die Liebe Jesu.



Amen.


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