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Freitag, 22. Januar 2010

Auf Schatzsuche - letzter n. Epiphanias, 24.01.10, Reihe II

Text: 2. Korinther 4,6-10

Liebe Gemeinde!
Haben sie heute Morgen schon in den Spiegel geschaut? Und wenn ja, was haben sie da gesehen? Vielleicht, und das hoffe ich, einen schönen, strahlenden Menschen. Einen Schatz für die ganze Menschheit. Wahrscheinlicher ist aber, zumindest nach meiner Erfahrung etwas anderes. Da blickt mich im Spiegel am Morgen ein Gesicht an, das noch etwas zerknit-tert ist. Und wenn alle Lampen im Bad an sind, dann wird auch deutlich, dass das ein oder andere Fältchen so langsam zur Falte wird, dass die Rasur nicht perfekt war, eine Hautun-reinheit zu sehen ist, ein vorwitziges Pickelchen sich seinen Platz erkämpft hat und noch vieles mehr. Und den Haaren kann ich dabei zusehen, wie sie auf dem Kopf weniger und grauer werden. Älterwerden halt. Klar, es gibt Nachhilfe. Schminken, Haare tönen oder färben und wenn nichts mehr hilft, kann man sich immer noch operieren lassen. Mit dem Alter geht’s bergab. Ich merke das nicht nur an meinen Haa-ren. Auch meine Augen werden immer schlechter. Selbst, die, die jung sind und eigentlich alle Voraussetzungen hätten, sich wirklich schön zu finden, die tun das oft nicht. Es fällt einem immer was ein und was auf, was gerade nicht passt. Und auch für junge Menschen gilt: Das Leben hinterlässt Gebrauchsspuren. Ist das schlimm? Für manche nicht, die sagen ganz selbstbewusst: es ist doch schön, dass man mir mein Leben ansieht, ich werde gern älter. Die meisten versu-chen aber, dieses Älterwerden zu bremsen und den Körper auszutricksen. Es ist eine einfach und harte Wahrheit: Wir verbrauchen uns, wenn wir leben. Trübe Aussichten. Aber eigentlich doch nur dann, wenn wir sagen: Das ist das Ent-scheidende. Was sehen sie, was seht ihr, was sehe ich mor-gens im Spiegel? Die müden Augen und ungewaschenen Haare? Die Pickel und Mitesser? Die vorstehenden Zähne und Falten, die grauen Haare und alles, was einen dazu bringt, sich manchmal richtig klein und hässlich zu fühlen? Oder einen Schatz, der uns aus diesem manchmal recht wi-derspenstigen und merkwürdigen Körper entgegenstrahlt? Paulus lädt uns in dem Stück aus dem Korintherbrief, das heute Predigttext ist, ein, auf Schatzsuche zu gehen. Wir ha-ben einen Schatz in uns, aber in irdenen Gefäßen. So schreibt Paulus. Für die jüngeren hört sich dieser Ausdruck „irdene Gefäße“ sicher komisch an. Irden, das heißt: aus Erde ge-macht. Klar, die, die sich in der Bibel auskennen, ziehen viel-leicht schnell die Verbindung zur Geschichte vom Paradies, in der erzählt wird, dass Gott den Menschen aus einem Erd-klumpen macht. Hat Paulus wahrscheinlich auch mitgemeint. Aber auch dann, wenn man die Geschichte gar nicht kennt, dann kann man wissen: da handelt es sich um Gefäße aus Ton. Die sind nicht kostbar. Da gibt’s schnell Kratzer, da platzt auch mal eine Ecke ab und irgendwann geht es mal richtig kaputt. Gefäße aus kostbaren Metallen waren, als Pau-lus gelebt hat, natürlich viel toller und teurer. Der Schatz, den wir haben, der ist in einer Hülle, die nicht viel her macht, die benutzt wird, der man das ansieht und die ziemlich zerbrech-lich ist. Aber der Schatz ist riesig. Seid ihr, sind sie heute schon auf Schatzsuche gewesen? Habt ihr, haben sie den Schatz gefunden? Es steckt ein Schatz in uns drin. Das schreibt Paulus ganz deutlich. Gott, der sprach: Licht soll aus der Finsternis hervorleuchten, der hat einen hellen Schein in unsre Herzen gegeben, dass durch uns entstünde die Erleuch-tung zur Erkenntnis der Herrlichkeit Gottes in dem Angesicht Jesu Christi. Diesen Schatz haben wir. Paulus schreibt das einfach so. Ohne Einschränkung. Das ist wichtig. Vor allem, wenn man weiß, dass Paulus vorher und nachher ganz viel darüber schreibt, was die Leute, die den Brief bekommen, alles falsch machen. Er ärgert sich richtig. Und trotzdem sagt er nicht: „Ich habe den Schatz und alle, die so sind wie ich, haben ihn, und ihr habt ihn nicht!“ Nein, auch die, über die er sich ärgert, haben diesen Schatz. Das ist mir persönlich im Moment ganz wichtig. Ich habe mich über ein paar Konfir-manden in der letzten Zeit geärgert. Und in der Schule gibt es auch immer wieder Schüler, über die ich mich ärgere. Und es gibt nicht nur Jugendliche, sondern auch Erwachsene, mit denen ich mich manchmal ganz schön schwer tue. Und trotz-dem glaube ich, dass auch in diesen Gefäßen, in diesen Men-schen, in diesen Herzen dieser Schatz ist. Vielleicht lenkt das Äußere tatsächlich manchmal davon ab, diesen Schatz zu se-hen. Vielleicht ist er manchmal auch gut versteckt. Vielleicht denken sogar manche: Diesen Schatz habe ich gar nicht! Es ist nicht immer einfach, auf Schatzsuche zu gehen. Schätze haben es nun mal an sich, dass sie oft versteckt und nur auf Umwegen zu erreichen sind. Aber wir können schon wissen, was dieser Schatz ist, den wir in unseren zerbrechlichen Ge-fäßen haben. Der helle Schein in unseren Herzen, von dem Paulus schreibt, die Erleuchtung, die andere durch unseren Schatz bekommen sollen, damit durch Jesus Christus Gott sichtbar wird, das ist die Liebe.
Vielleicht sind manche jetzt enttäuscht. Vielleicht hätten sie sich was Spektakuläreres gewünscht oder sie sagen: „In der Kirche geht’s doch immer irgendwie um Liebe, schon wieder das Gleiche wie immer!“ Aber leider kann ich nicht anders. Ich glaube schon, dass die Liebe der größte und kostbarste Schatz ist, den wir haben. Die Liebe, die Gott uns schenkt, mit der er uns liebt und die sich auch in der Liebe zeigt, die uns von anderen geschenkt wird – und die Fähigkeit, selbst Liebe zu schenken. Schon wieder so viel Gerede von der Liebe und über die Liebe. Ja, dieser Schatz macht es uns nicht leicht. Liebe ist so schwer zu fassen, anders als Gold und Geld. Man kann sie nicht festhalten. Wenn ich das ver-suche, dann wird sie sich ganz schnell wegschleichen. Es ist praktisch unmöglich, über diesen Schatz zu reden. Seine Kraft zeigt er im Leben. Ich habe die Frage vom Anfang schon ernst gemeint: „Was sehe ich, wenn ich in den Spiegel schaue? – Die schiefen Zähne, die Falten, vielleicht auch das, was ich an mir nicht leiden kann, weil ich Dinge falsch ma-che, die Tatsache, dass das Leben Spuren bei mir hinterlassen hat und dass das, was mir da entgegenschaut, eines Tages nicht mehr sein wird – oder einen liebenswerten, geliebten Menschen, der lieben kann?“ Ich hoffe, beides. Weil beides die Wahrheit über unser Leben ist und beides zusammenge-hört. Paulus sagt nicht, dass das Leben immer schön ist. Er sagt: „Wir werden bedrängt, verfolgt, unterdrückt, wir haben Angst, wir tragen das Sterben von Jesus an uns.“ Der Schatz, den wir haben, der bewahrt uns nicht davor, traurige Erfah-rungen zu machen. Wer lieben kann und Liebe spürt, der spürt noch viel deutlicher, wo sie nicht ist. Wo sich Stärkere mit Gewalt oder der Androhung von Gewalt durchsetzen. Wo zuerst aufs Geld geschaut wird und dann auf den Menschen. Wo der, der die richtigen Leute kennt, weniger Steuern zah-len muss. Wo beleidigt wird, wo Menschen für weniger wert gehalten werden, weil sie anders aussehen, eine andere Spra-che sprechen oder, oder, oder… - es gibt viel zu viel und es wäre langweilig, das alles aufzuzählen. Und nicht nur im Großen, sondern auch im eigenen Leben fällt das auf. Hof-fentlich. Als ich mich in meiner Ausbildung mal über Kon-firmanden, die nicht so wollten wie ich, beschwert habe, hat mein Ausbilder mir keine Tipps und Tricks verraten, sondern mich gefragt: „Was ist denn an diesem Mädchen, über die sie zu Recht so ärgerlich sind, liebenswert?“ Ich glaube wirklich, dass dieser Perspektivwechsel dabei hilft, den Schatz wirk-lich zu entdecken. Nicht zuerst, weder bei sich noch bei an-deren, weder in der Kirche noch in der Politik, zuerst auf das zu schauen, was bei anderen oder bei mir falsch und schlecht und schwer auszuhalten ist, sondern mit dem Schatz in uns zu wuchern und nach dem Schatz in anderen zu suchen und ih-nen zu helfen, diesen Schatz zu entdecken. Ein langer, müh-samer, steiniger Weg mit vielen Rückschlägen. Ein Weg, der Jesus ans Kreuz gebracht hat – und der es möglich gemacht hat, Schuld zu vergeben und Leben auch dort entstehen zu lassen, wo Schuld und menschliches Unvermögen nur den Tod wachsen lassen. Wir haben einen Schatz. Nicht nur ich, nicht nur die Menschen, die sonntags in die Kirche kommen, nicht nur die Menschen, die mich nicht nerven. Wir haben einen Schatz, der uns von Gott geschenkt ist. Wir haben ihn uns nicht verdient, aber wir können mit ihm arbeiten. Und anderen helfen, ihn zu entdecken. vielleicht auch, damit sie uns helfen, ihn bei uns wiederzufinden, wenn wir nur die Pi-ckel, die Falten, das Traurige in unserem Leben sehen.
Amen.

Ratschläge sind auch Schläge? - 2. nach Epiphanias, 17.01.10, Reihe II

Text:Römer 12,9-16
Liebe Gemeinde!
Sei ordentlich! Benimm dich anständig! Rauche nicht! Be-trinke dich nicht! Mach uns keine Schande! Zieh dich warm genug an! – Es war noch ein bisschen mehr, was der Zehnt-klässler Ulrich von seiner Mutter an Verhaltensregeln vor einer zweiwöchigen Klassenfahrt in die Berge mitbekommen hatte. Viele gut gemeinte Ratschläge. Aber ob sie alle von mir beachtet wurden, ob ich mich an alles gehalten habe? – Das verrate ich jetzt nicht. Ich wusste auch damals, dass mei-ne Mutter mit dem, was sie sagte, nicht falsch lag. Aber es hat mich schon etwas genervt und ich wusste genau, dass ich mich nicht an alles halten werde.
Heute bin ich der, der zum Beispiel Schülern oder Konfir-manden sagt, was gutes Verhalten ist. Ich weiß genau, dass ich sie damit manchmal nerve. Und ich weiß auch, dass sie sich längst nicht an alles halten. Und ich werde trotzdem wei-termachen. Nicht, weil ich so gern frustriert werde oder weil ich so gern Jugendliche nerve. Sondern weil ich denke: Manchmal muss man das sagen, von dem man überzeugt ist, dass es richtig und gut ist, obwohl es wenig Gehör findet und obwohl es vielleicht auch manchmal die Fähigkeiten und die Möglichkeiten von den Menschen, denen man das sagt, über-steigt. Etwas Richtiges wird nicht dadurch falsch, dass Men-schen nicht danach handeln. Etwas Gutes wird nicht dadurch schlecht, dass es manchmal vielleicht auch nervt.
Wie gesagt, früher ging es mir mit den Ratschlägen meiner Mutter, meiner Eltern überhaupt, manchmal so. Und manch-mal geht es mir auch mit manchem, was in der Bibel steht, so ähnlich. Auch mit dem, was Paulus den Menschen in Rom geschrieben hat. Haben sie eben genau zugehört? Das waren nicht nur 10 Gebote. Einundzwanzig Verhaltenswünsche hat Paulus da in dem kurzen Abschnitt aufgestellt. Wenn man das Kapitel, das nicht mehr lang ist, ganz zu Ende liest, kommen noch mal acht gute Ratschläge mit dazu. Sinnlos, weil sich das ja doch keiner merken kann, denkt jetzt viel-leicht jemand. Oder: sinnlos, weil sich ja doch keiner dran hält. Oder sogar: sinnlos, weil Gott am Ende doch Sünden vergibt und es egal ist, wie man sich verhält. Und dann macht jeder was er will. Ja, auch ich denke manchmal: Paulus, wa-rum hast du nicht einfach weniger geschrieben. Das überfor-dert doch alle. Andere denken und sagen: Es ist doch toll, dass Paulus das alles so genau aufschreibt. Da weiß ich we-nigstens, wie ich mich verhalten muss oder was ich als Christ von anderen Christen erwarten kann. Wenn man sich an diese Regeln hält, dann ist man ein guter Christ und wird von Gott belohnt. Und wird, so glaube ich, mit der Zeit krank. Denn nicht erst Martin Luther hat erkannt, dass ich als Mensch es gar nicht schaffen kann, alles, was gut und richtig ist, zu tun. Ich werde nie perfekt leben und lieben können. Ich werde scheitern. Ich werde schuldig – an Gott und an anderen Men-schen.
Ist es dann vielleicht doch sinnlos, was Paulus hier als gut für das Leben einer christlichen Gemeinde schreibt? Soll ich nicht lieber aufhören, etwas darüber zu erzählen? Vielleicht sollte ich das wirklich, weil ich heute vielleicht auch gar nicht das Richtige dazu sage. Ich bin nicht Gott. Ich bin nicht Paulus. Ich weiß nicht, was er wirklich gemeint hat. Und ich muss zugeben, dass das, was Paulus hier an Verhaltensregeln schreibt, für den Alltag ziemlich merkwürdig zu sein scheint. Das fängt für mich schon bei der Aufforderung an: „Die ge-schwisterliche Liebe untereinander sei herzlich“. Ich habe jetzt erst wieder mit Geschwistern zu tun gehabt, die seit fast zehn Jahren kein Wort mehr miteinander geredet haben und die alles getan haben, um nicht Kontakt zu bekommen. Leib-liche Geschwister. Liebe kann man nicht befehlen. Und wenn schon die gleiche Familie kein Grund ist, der Liebe und der Vergebung eine Chance zu geben, warum sollte es denn der Glaube an Gott sein? In einer Konfirmandengruppe, in einer Gottesdienstgemeinde, in einer Kirchengemeinde und schon ganz und gar in der weltweiten Gemeinschaft aller Glauben-den und Kirchen gibt es nicht nur ein liebevolles Miteinan-der. Da gibt es Streit, Neid, manchmal sogar auch Hass. Da gibt es Menschen, mit denen man sich sehr verbunden fühlt, und welche, denen man eher aus dem Weg geht. Und das ist nicht erst in den letzten zwei, drei Jahren so. Ich glaube, auch in Rom gab es das, als Paulus den Brief geschrieben hat. Und in Briefen an andere Gemeinden schreibt Paulus sehr deutlich von diesen Schwierigkeiten. Aber ist das ein Grund, zu sa-gen: „Das ist Quatsch, was Paulus da schreibt! Er hätte sich das auch sparen können!“? Das finde ich gerade nicht. Gott ist die Liebe – und da soll es egal sein, wie die Menschen, die an ihn glauben und die sich auf ihn berufen, miteinander um-gehen? Auch ich scheitere an der Liebe – aber das heißt doch nicht, dass es die Liebe nicht gibt und dass Liebe falsch ist. Eine Gemeinschaft, die sich auf Gott beruft, die aber in ihrem Umgang miteinander nur egoistisch ist, in der die Menschen sich mit bösen Gesichtern anschauen oder sogar sich gar nicht mehr anschauen, eine Gemeinschaft, in der Menschen sich Schlechtes wünschen, wo Sitzplätze in Kirchen vertei-digt werden und Neuankömmlinge misstrauisch angeschaut werden, das gibt’s zwar alles, immer wieder, überall – aber so darf und soll es doch nicht sein oder bleiben. Es ist wich-tig, einen Stachel zu spüren, der deutlich macht, was auch falsch läuft. Ein solcher Stachel ist für mich auch diese Auf-forderung „Segnet, die euch verfolgen; segnet und flucht nicht!“ Unserem Alltag, auch meinem, läuft das völlig entge-gen. Wer mir nichts Gutes will, dem wünsche ich doch eher die Pest an den Hals als dass ich ihm was Gutes wünsche, ihn sogar segne. Aber was heißt eigentlich „segnen“? Es heißt, jemandem Gottes Beistand wünschen, jemanden mit Gott in Beziehung setzen, jemandem Gutes zusagen. Es ist mensch-lich, auf Gewalt mit Gewalt, auf Hass mit Hass zu reagieren. Sich zu wehren. Auf Schuld mit Strafe. Kein Opfer sein zu wollen. Gott hat in Jesus für uns diese Spirale der Gewalt, die sich immer weiter dreht, durchbrochen. Auf Schuld reagiert er mit dem Angebot zur Vergebung. Auf ein Leben, das sich in Hass verstrickt, mit dem Angebot, umzukehren und neu anzufangen. Ich gebe dem Gewalttäter Recht, wenn ich mit Gewalt antworte. Ich gebe dem Mörder Recht, wenn ich die Todesstrafe einsetze, weil ich dann sage, es ist okay, wenn ein Mensch dem anderen das Leben nimmt. Gott zeigt einen anderen Weg. Wie gesagt, hier ist für mich der Stachel be-sonders schmerzhaft. Denn ich weiß auch, dass man manch-mal Gewalt nur mit Gewalt ein Ende setzen kann. Dass man, um Schwächere zu schützen, Stärkere manchmal mit Gewalt davon abhalten muss, sich an Schwachen zu vergehen. Wenn ich mitbekomme, dass eine Frau vergewaltigt wird, dann hilft es nicht viel, dem Vergewaltiger zu sagen: Gott segne dich. Dann muss ich ihn notfalls mit Gewalt von der Frau weg be-kommen. Es geht für mich hier darum, wachsam zu bleiben, damit Gewalt sich nicht verselbständigt. Es geht darum, im anderen, auch und gerade im Täter, nie ein Monster zu sehen, sondern immer einen Menschen. Dem auch die Chance zum Neuanfang von Gott geschenkt wird – auch wenn der Neuan-fang möglicherweise darin besteht, ihm durch Strafe und Freiheitsentzug die Chance zu geben, erst einmal überhaupt über sein Verhalten nachzudenken und nicht immer mehr Schaden anzurichten. Für mich heißt das zum Beispiel seg-nen: einen anderen aus den verkehrten Wegen herauszureißen und ihm die Chance zu geben, umzukehren und eine Bezie-hung zu Gott, zur Liebe zu finden.
Ich glaube, ich könnte jetzt noch stundenlang so weiterma-chen. Je länger ich nachdenke, desto mehr fällt mir zu jedem einzelnen Satz, den Paulus schreibt, etwas ein. Wie viele wa-ren es? Einundzwanzig glaube ich, und ich habe erst zu zwei-en etwas gesagt! Keine Angst, ich werde die neunzehn ande-ren jetzt nicht nach und nach alle irgendwie behandeln. Viel-leicht sind sie ja bei ganz anderen Sätzen hängengeblieben. Gut so. Die Fülle der Sätze, die Ansprüche, die sie stellen, die machen mir etwas ganz deutlich: Wir haben keinen Grund, uns mit wenig zufriedne zu geben. Gottes Liebe ist so groß, dass wir davon auch etwas in unseren Umgang mitein-ander legen können. Wenn wir uns wahrnehmen, wenn wir mitfühlen und mitleiden, dann wird etwas von dem deutlich, was Gottes Umgang mit uns ist. Mitfühlen – ich glaube, dazu wollen uns die vielen Aufforderungen Mut machen. Mitfüh-len – auch mit unserem Versagen, unserer Schwäche. Denn wir dürfen darauf vertrauen: Wir sollen nicht klein werden und uns schlecht fühlen, sondern Gott will uns die Größe der Möglichkeiten eröffnen. Wir können in aller Unzulänglich-keit anfangen, so zu leben, weil Gott mit uns mitfühlt und mit leidet und uns auch dort segnet und auf gute Wege bringt, wo wir ihn, wo wir die Liebe verfolgen.
Amen.